Juli 22, 2014

Das härteste Eintages-Radrennen der Welt | Rückblick

Ein ganz persönlicher Bericht von Klaus Bermanseder


Race across the alps  2014

Nauders, Punkt 12 Uhr, wie jedes Jahr, in der dritten Juniwoche, ist der Start zum härtesten 24 Std.-Rennen der Welt und wieder das ganz besondere Highlight der Saison. Von Beginn an raste das gesamte Feld mit sehr hohem Tempo Richtung Reschenpass. Die Erfahrung der letzten Jahre ließ mich aber nicht hochschrecken, dass sich mein Puls schon so früh im Rennen jenseits von 160 Herzschlägen pro Minute bewegt.

Auffahrt/Abfahrt Stilfserjoch

Ab Prad am Stilfserjoch, wo der Pässewahnsinn beginnt, hieß es dann sowieso den eigenen Rhythmus  zu finden, denn die ersten beiden Führungsgruppen (bzw. alle Finisher unter 25 Stunden), die ein verdammt hohes Tempo vorlegten (1.100 – 1.200 Höhenmeter pro Stunde) waren dann ganz schnell außer Sichtweite. Ich fand recht schnell meinen Rhythmus. 
Auffahrt Gavia










                                                                                                                                                          
Nach der Einrollphase über den Stelvio und den schwierigen Gavia, folgte noch die Überfahrt über den flachen Aprica-Pass, bevor es dann zum so gefürchteten Mortirolo ging, der mit bis zu 19 Prozent steilen Rampen Schrecken verbreitet. 

Es sind schon beeindruckende Zahlen, die einen nach rund 200 Kilometern und ca. 4200 Höhenmetern erwarten, denn mit ca. 11 Prozent Durchschnittssteigung und das auf knapp 11 Kilometer (1300 Höhenmeter auf 10,7 Kilometern !!) Anstieg, muss man hier das erste Mal so richtig die Zähne zusammenbeißen. 



Dieses Terrain (Tirano, Berninapass, Aprica, Mortirolo) ist mir mittlerweile sehr vertraut. Da ich hier oft trainiere, kenne ich inzwischen jede einzelne Rampe und freue mich jedes Jahr auf die Herausforderung Mortirolo. 


Auffahrt Mortirolo mit Andi Starke


Ab hier begann für mich so richtig das RATA. Ich hatte sofort in dem sehr steilen Anstieg
meinen Rhythmus und kurbelte mit rundem Tritt nach oben. Auf der Passhöhe erwartete 
mich schon mein Team, Trikotwechsel, Radwechsel mit Beleuchtung, Essen, Pinkeln, alles in 
2-3 Minuten, PERFEKT!! An dieser Stelle ein riesengroßes Dankeschön an mein Team 
(Alfred Karasek, Andi Starke, Dietmar Geiger und Uli Breitfeld)!


Ab hier (Abfahrt Mortirolo) fand ich in Gernot Wolfram einen sensationellen Mitstreiter Richtung Bernina. Wir hatten trotz des hohen Tempos, auf dem Weg zur zweiten Überfahrt über den Aprica-Pass, immer wieder kurz Zeit für einen Plausch (meist über kurz vor oder hinter uns liegende RATA-Kollegen und so manch suspekte Ereignisse während des Rennens). Nach der zweiten Runde über die Skistation Aprica-Pass und der Flachpassage bis Tirano ging es dann wieder zur Sache: Es stand einer 

der schwersten Teilabschnitte vor uns, der fast nicht enden wollende Bernina-Pass. 



Mit knapp 2000 Höhenmetern und fast 35 Kilometer ist er einer der längsten Anstiege im Alpenraum. Mit Gernot zusammen kurbelte ich in die stockdunkle Nacht des Berninamassivs, es lief sehr rund und  nach ca. 20 Kilometern schraubte ich mich dann alleine der Passhöhe entgegen. Ich schickte vorzeitig das Teamfahrzeug nach oben, um alles für meine Abfahrt vorzubereiten. Ich streifte mir Jacke, Mütze und Handschuhe über und versuchte in der rasanten Abfahrt weiter Zeit gutzumachen. Letztes Jahr lag ich allerdings zu diesem Zeitpunkt bzw. an diesem Teil der Strecke auch schon super im Rennen, musste allerdings im späteren Verlauf, dem für meine Verhältnisse hohen Tempo Tribut zollen. Nach 28 Kilometern leichtem Gefälle und Flachpassagen nahm ich den Albulapass ins Visier. Am Einstieg zum Pass zog ich an einem weiteren Konkurrenten vorbei. Es lief weiterhin sehr gut. Die Kälte nach der Abfahrt vom Bernina in Richtung La Punt (Einstieg Albula) wich langsam während der Auffahrt zur Albula-Passhöhe. Im letzten Jahr war ich aufgrund des hohen Tempos vor allem über den Berninapass ziemlich angeschlagen und musste eine  20-30 minütige Pause einlegen und das wollte ich diesmal ausnützen, um Zeit gutzumachen. Noch während der Auffahrt ließ ich mir Jacke und Handschuhe reichen, um ohne Stopp
weiterzufahren. Bei der langen Abfahrt wurde es natürlich wieder saukalt, ziemlich ausgekühlt machte ich kurz vor Bergün den einzigen längeren Stopp von 10 Minuten. Ich wechselte nochmals die Kleidung, nahm eine warme Suppe zu mir und verrichtete noch ein kleines Geschäft. Ich fühlte mich einfach richtig gut und gab die Order ans Teamfahrzeug, bis auf einen ganz schnellen Radwechsel am Umbrail, nicht mehr vom Velo (Rennrad) zu steigen. Der eigentlich jedes Jahr unbequemste Teil des RATA, von Bergün bis Davos, gab mir, als ich auf diesem unrhythmischen Teilstück wiederum zwei Kontrahenten passieren konnte, richtig Power und nur positive Energie. Ich verschwendete keinen einzigen Gedanken daran, dass ich schon knapp 400 Kilometer und ca. 10.000 Höhenmeter in den Beinen hatte. Ich verspürte einfach nur Freude und konnte es kaum erwarten, mich den letzten vier Pässen, dem Flüela-, Ofen-, Umbrail-, Stilfser Joch und zu guter Letzt dem Reschenpass zu stellen. 


So kurbelte ich Kilometer um Kilometer herunter und fuhr ohne irgendwelche Stopps über den Flüela-Pass und den Ofenpass. Jetzt im Nachhinein  hätten wir uns den Radwechsel am Umbrail sparen können. Vor diesem letzten Hammerpass hatte ich aber sehr viel Respekt, denn jedes Jahr zog mir dieser irgendwann den Stecker (Flasche leeeer). Zumindest heuer habe ich den Kampf gegen den Umbrai/Stelvio ganz klar gewonnen und so war ich fast eine Stunde schneller als im Vorjahr auf dem höchsten Punkt -Cima Coppi- des RATA´s. 

Natürlich wollte ich mich auch hier oben, ohne anzuhalten, sofort in diese letzte halsbrecherische Abfahrt stürzen, zunächst hielt mich aber eine Traktorparade auf bzw. zurück. Als ich dann endlich an diesen Stinkmaschinen vorbei und bei der Abfahrt einen Großteil überholt hatte, bremste mich ein Traktorunfall aus und ich musste über 5 Minuten wegen diesem Drecksbock warten. Ich wunderte mich noch heute,  wie cool und ruhig ich diesen Zwischenfall abgewartet hatte und wer weiß, wofür es gut war. Unten in Prad angekommen, hieß es dann noch einmal alle Reserven herauszukitzeln .Es war brütend heiß und ich ließ mir eine zweite Wasserflasche geben, um mich immer wieder abzukühlen. Auch die Hitze hatte ich gut im Griff und so verlief auch der letzte Pass zum Reschen hoch ohne Probleme. Oben am Reschensee immer das gleiche Spiel, der übliche Gegenwind, dieser ließ mich aber nicht davon abhalten, ein letztes Mal all meine Kräfte zu sammeln und mit bis zu Teil 50 Kilometern pro Stunde dem Ziel in Nauders entgegen zu rasen. Glücklich und zufrieden wurde ich im Ziel von Mama, Carmen, Vater Reini, Zielmoderator Othmar und vielen Zuschauern erwartet und begrüßt.











Fazit: Von 49 Startern kamen nur 28 ins Ziel. 
Selbst Favoriten und Routiniers, wie Reto Schoch, Patric Grüner, Thomas Strebel, Rainer Popp, um nur einige zu nennen, konnten das RATA 2014 nicht finishen. Das sagt schon alles, wie brutal und hart dieser Extremradmarathon ist. Daher ist es für mich 
umso erfreulicher, dass ich 2014 nicht nur finishen konnte, sondern mit neuer persönlicher Bestzeit den hervorragenden 12. Platz belegen konnte.



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Der Bericht über das RATA 2014 von Klaus liest sich beinahe wie ein Krimi, der an Spannung kaum zu überbieten ist. Auch die Zahlen lassen mich einfach nur staunen! Umso interessanter finde ich, ein solch hartes Radrennen aus der Sicht des Teilnehmers zu hören. Was in einem Sportler vorgeht, der während eines Rennens ständig an seine Grenzen geht und wie wichtig daher ein Rückhalt und die Unterstützung der Fans ist und sein kann (Klaus wurde während des RATA aus seinem Teamfahrzeug laufend über neue Motivations-Einträge in seinem Gästebuch informiert!).
Wir gratulieren Klaus nochmals ganz herzlich zu diesem grandiosen Ergebnis und wünschen auch für die weitere Zukunft viel Erfolg!
Herzallgäuerliebste Grüße
Eure Saskia